Kompromisslos

Seit 20 Jahren gibt es uns nun schon. Und davon bin ich seit 14 Jahren wieder in Österreich zurück, um den hehren Dharma zu teilen.

Soviel habe ich in den letzten Jahren erlebt! Meine Erfahrungen sind so vielschichtig wie eine Zwiebel Schichten hat. Wir haben einige Lehrer und auch Meister eingeladen und viele Begegnungen erfahren. Peripher beobachte ich das, was sich in Österreich Buddhadharma nennt.

Meine lieben Freunde, der echte Buddhadharma ist rar. So rar wie ein doppelter Regenbogen. Wir hingegen haben es mit einer riesigen Bandbreite der unterschiedlichsten Angebote zu tun. In Österreich sind wir anscheinend groß im Gründen von Organisationen. Es scheint mir wie eines der liebsten Hobbies meiner Landsleute. Jeder kann heutzutage eine mehr oder weniger wohlklingende, sich gut verkaufende, marketing- und PR-trächtige Organisation gründen, egal, welche Inhalte, wenn überhaupt, damit verbunden sind. Mir scheints, man hört den Leuten einfach zu, was sie wollen, was sie nicht wollen und passt dann sowohl Form als auch, wie gesagt, falls überhaupt vorhanden, Inhalt den Wünschen der breiten Masse an, “korrigiert politisch”, um Anhängerzahlen generieren zu können. Und dann gibt es die, die die Namen und/oder die Aktivitäten Bezeichnungen großer Meister einfach kapern und damit suggerieren, von einem gewissen Meister authorisiert worden zu sein und damit das eigene Tun legitmieren.

Oder aber der Buddhadharma mit all seinen weiterführenden Unterweisungen wird wie ein Business an alle, die dafür bereit sind, ordentlich in die Tasche zu greifen, in Hochglanzfoldern per Postwurfsendung angeboten, oder aber wird völlig verändert, seiner Erhabenheit enthoben, zu einer neuzeitlichen sektenhaften Bewegung verschoben. Oder man kann sich ganz leicht auf einer Website einloggen, eine beträchtliche Gebühr berappen, ohne jemals irgendeine Übertragung durch einen authentischen Lehrer einer intakten Linie erhalten zu haben, von Hilfe auf dem Pfad gleich gar nicht zu sprechen und wird esoterisch über buddhistische Grundkenntnisse von einer angenehmen Sprecherstimme aufgeklärt, kann Praxistexte im Netz erstehen, ohne aufgefordert zu werden, zu enthüllen, ob man überhaupt dazu berechtigt ist, den Text zu praktizieren. Und wenn gar nichts mehr geht, dann zieht immer noch die Karte “exotisch”. Jemand aus dem fernen Tibet oder Westler, die tibetischer sind als die Tibeter; mit Ohrringen, langem Haar und exotischen Schals, das bringt “ohs”.

Schnell kann sich hier jeder selbst zu einem “Lehrer” hochstilisieren und auch noch von übergeordneten Organisationen legitmiert werden! Und die Menge scheint befriedigt darüber, mit einer legal korrekten Unternehmung zu tun zu haben. Denn wir müssen die Anzahl der gemeldeten Buddhisten mit jedem Mittel erhöhen, um es den anderen Glauben zu zeigen und Hauptsache, es ist nicht Religion, denn Buddhismus ist eine Philosophie des Lebens! Das Internet wird überschwemmt von den unglaublichsten Posts auf Diskussionsformen zum Buddhadharma.

Und dann Vajrayana, ach du lieber Gott! Man scheint von uns zu verlangen, zu verstecken, dass wir hingebungsvolles Vertrauen in Buddhas und Bodhisattvas haben und selbst Buddhas werden möchten. Mitgefühl, nun das scheint das Maximale dessen, was die Leute zu akzeptieren bereit sind, aber auch nur dann, wenn es (dem Ego) dienlich ist. Und, wie kann angesichts neulicher Anschuldigungen ein fortschrittlicher, aufgeklärter Westler überhaupt frauenfeindlichem Hokuspokus auf den Leim gehen?

Was die Sangha, und ich meine die echte Sangha und keine Mitglieder von Organisationen, anlangt, so ist das sowohl in Ost als auch West wirklich ernüchternd.

Und jene, die sich Dharma Schüler nennen, scheints, haben eine neue, exotische Obsession für sich entdeckt, Kurse von jenen, die lange Titel innehalten, abzuklappern und zu konsumieren, so, wie man Kurse auf der Volkshochschule bucht und sich damit eine neue Feder auf den sowieso schon mehr als bunt und dicht ausstaffierten Hut stecken zu können. Dharma kann ich kaum entdecken: Den von Herzen kommenden Entschluss, für das letztendliche Wohl aller Lebewesen zu agieren.

Mir graut es. Und ich sage das nicht von einem erhöhten Podest und abgeklärt herunter, sondern als einer von Euch. Ich kann es einfach nicht anders sagen. Als ich mich vor 20 Jahren dazu entschied, monastische Gelübde zu erbitten, suchte ich meine Lehrer auf, mit jener von Herzen kommenden Bitte um Aufklärung. Wie Ihr wisst, war ich damals noch verheiratet, war gut im Business in der Medienbranche unterwegs, aber der viel zitierte Ruf, der mich mein ganzes Leben begleitet hatte, ließ mich einfach nicht mehr los. Ich bat meine Lehrer inständig, mir zu sagen, ob ich nur, wie viele Westler, auf “einen Trip ginge”, oder, ob irgendein Nutzen für irgendjemand entstünde, löste ich meine Ehe auf, um Nonne zu werden, obwohl mein gesamtes Umfeld nur den Gedanken daran schon hasste. Meine Lehrer waren eindeutig. Es würde Nutzen bringen.

Ich liebe den Dharma. Er ist meine Lebenskraft, mein Blut, mein Herz, alles, was ich je gesucht, ohne zu wissen, dass es dergleichen Wunderschönes überhaupt gäbe. Ich verabscheue Politik im Dharma und alles was damit zu tun hat. All dieses Lobbying, Mobbying, das unter und sogar in den Organisationen selbst herrscht. Die Wahrheit wird zu Tode organisiert und in niemals enden wollenden Sitzungen in Vereinsmeierei erstickt. Hauptsache das rechtliche Protokoll ist gewahrt. So ein Pech aber auch, Praxiszeit bleibt da keine mehr übrig. Aber man tue alles für den Buddhismus. Es graut mir beim Gedanken daran und ich kann nicht umhin, mich daran zu erinnern, was die Prohezeiung sagt: Der Dharma kann nicht von außen zerstört werden, nur von innen. Ich habe mein Leben den wahren Dharma zu praktizieren gewidmet. Alles zu tun, dieses Wahre, von Herzen kommende Kostbare hochzuhalten, es entstehen zu lassen.

Wie Ihr wisst, durfte ich nur wenig nach meiner ersten monastischen Ordination in die klassische Dreijahres Klausur eintreten. Als ich mich entschied, Nonne zu werden, stand ich vor der Entscheidung, die “Sache” entweder von der intellektuellen oder der praktischen Seite anzugehen. Da ich in meinen frühen 20ern ausreichend intellektuell unterwegs war, dem Weltlichen so gut es mir vermochte, entsagt hatte und wirklich nur noch praktizieren wollte, stand die Entscheidung fest, das Studium der Philosophie und damit das tiefgründige Erlernen der Sprache auszusetzen, stattdessen alle Vorbereitungen für echte Praxis zu treffen. Ausserdem ward aus mir ein wirklich ernsthafter Praktiker geworden, nachdem ich meine theoretischen, philosophischen und universitären Höhenflüge absolviert hatte, als ich jung war. Darüberhinaus spricht mein Guru vollkommenes Englisch und ich hatte von Anfang an alle Instruktionen von ihm in Englisch erhalten. Ich brauchte gesprochenes Tibetisch also wirklich nicht und da ich Tratsch wirklich verabscheue, war es mir kein besonderes Anliegen, fit für jenes nie endenden Getratsche in jeglicher Sprache zu werden.

Für die Dreijahresklausur muss man Tibetisch lesen können, um die Praxis im Original zu betreiben. Viele von Euch wissen, dass mir Sprachen leicht fallen. Alle Sprachen, derer ich mich je annahm, lernte ich flugs. Tibetisch habe ich mir im Selbstverfahren schriftlich beigebracht inklusive mancher Schreibstile. Da ich die drei Jahre in völliger Stille verbracht habe, bestand wiederum kein Bedarf, Tibetisch zu sprechen. Und gleich nach der Beendigung war ich voll im Einsatz und hatte noch viel weniger Zeit, das ordentlich nachzuholen. Anfangs litt ich wirklich darunter. Das ist wohl mein Stolz in Bezug auf Sprachen. Und wenn ich meine Tage jetzt ansehe, denke ich, dass niemals Zeit sein wird, eine meiner Vorlieben, Sprache, im Speziellen Tibetisch, wirklich zufriedenstellend meins nennen zu können, auch, wenn ich tibetische Liturgien, Dinge die ich praktiziert habe und für die ich Übertagungen habe, übersetze. Mein Ego rebelliert immer noch gewaltig. Ich liebe Sprachen einfach und obwohl ich sie lange Zeit nicht benützt habe, so ist wohl das meiste verloren. Ich liebe es, mit Worten, Klängen und den Bildern, die sie in den Herzen anderer erzeugen, zu malen. All das.

Das wiederum erzeugte viel Argwohn, Gerüchte und Häme aller Art. Aus dem Osten und dem Westen. Ein Lama (wirklich?) mit einiger Verantwortung und zu allem Überdruss auch noch aus dem Westen. Der Überkill dazu, dass ich eine Frau bin! Wie kann sie sich nur dazu erdreisten, zu tun, was sie tut. Vielleicht hat sie ihre “Verantwortung” einfach nur erfunden? Und überhaupt: Man wäre selbst schon seit 30, 40, 50 Jahren Buddhist, oder habe die Dreijahreklausur lang vor ihr abgeschlossen, oder die eigene Organisation gäbe es auch schon länger. Darüberhinaus: Lama sei nun mal ein tibetischer Mann. Aber man sei überhaupt nicht rassistisch oder frauenfeindlich, im Gegenteil habe immer Frauen im Dharma unterstützt.

Viele Leute haben mich obsessiv aufgesucht, weil ich eine Frau bin. Aber nicht für den Dharma. Manche wollten mich als Feministin lesen, aus mir eine esoterische Emanze machen. Manche von ihnen erwarteten, ich möchte fast sagen, legitimiert zu werden, manche, weil sie gerne Spielchen spielen und vieles Anderes. Wenige suchten den Dharma, um dem Weg aus Samsara zu folgen.

Ich erzähle Euch das alles, damit Ihr versteht, dass der Dharma nicht gleichzusetzen ist mit illustren Vereinigungen, dem Konsumieren höherer Unterweisungen und das Beherrschen der Sprache nicht das Verinnerlichen des Dharma bedeutet. Ihr müsst weder Tibetisch lernen (wenn Ihr das könnt, ist das wunderbar!), Tibeter werden, noch Mitglieder in werbewirksamen Vereinen und Organisationen, um zu praktzieren, sogar, wenn Ihr Monasten seid. Ich meine das wirklich ernst. Auch nicht die sozialen Medien überschwemmen mit Beiträgen mit Dharma in Wort, Bild und Ton. Ganz im Gegenteil. Gebt Euer Herz der Kostbarkeit in Euch hin.

Die Buddhas und Bodhisattvas müssen dicke Tänen vergießen ob dessen, was wir dem erhabenen Dharma, was wir der Wahrheit antun. Ich kann und werde mich nicht um all diese Strömungen, all diese Organisationen, all diese PR und all diese Pervertiertheit da draussen kümmern. Buddhas und Bodhisattvas, segnet mich, damit meine Obhut immer nur dem reinen Dharma gilt!

Ich liebe Dharma und bin “zufällig” eine Frau, in Österreich geboren und aufgewachsen. Ich liebe unsere reine Linie und akzeptiere meine Makel. Aber ich akzeptiere nicht, die Lebensdauer des Buddhadharma durch meine Aktivitäten bewusst auch nur um eine einzige Minute zu verkürzen. Mein Herz gehört allen fühlenden Wesen.

Bitte seid diesbezüglich genauso wenig kompromissbereit.

Chöje Lama Palmo